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Hep
10 und der Sonnenstein
Jeder,
der
sich in seinem (künftigen) Berufsleben behinderten Menschen
widmet, wird unweigerlich mit der diesbezüglichen traurigen und
unfassbaren Geschichte während des 3. Reiches konfrontiert.
Nicht nur Unterrichtsinhalte, sondern auch die Schicksale
kranker Menschen, mit denen die Schüler während der Praktika
konfrontiert wurden sowie die wechselhafte Historie einzelner
Einrichtungen weckten den Wunsch, sich näher mit dieser
Problematik zu beschäftigen.
Deutschlandweit
gibt es eine Reihe von Gedenkstätten, die an die
Ermordung der vielen
psychisch Kranken erinnern - u.a. auch in Pirna auf dem
Sonnenstein.
Ursprünglich
wurde in diesem Schloss 1811 eine der ersten und zugleich
fortschrittlichsten Heilanstalten für Geisteskranke unter der
Leitung des damals berühmten Direktors Ernst Gottlieb Pienitz
eröffnet. Diese Tradition endete im Oktober 1939 auf Erlass des
sächsischen Ministeriums des Inneren mit der Verlegung der
Patienten. Im Frühjahr 1940 wurden Teile der Einrichtung durch
die Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion T4 als Tötungsstätte
eingerichtet. Bis zum Herbst
1941 ermordete man etwa 15000 kranke Menschen, darunter
über 1000 KZ-Häftlinge. Nach der Reichsverwaltungsschule, dem
Umsiedlerlager, einem Lazarett, einer Kaserne für russische
Truppen und dem Landratsamt
entstand 1978 in den Gebäuden ein Rehabilitationszentrum
für geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche.
Erst 1989 drang der fast vergessene Massenmord wieder in das
Bewusstsein der Öffentlichkeit. Daraufhin gründeten Bürger
der Stadt Pirna und Angehörige von Opfern das „Kuratorium
Gedenkstätte Sonnenstein e.V.“ Im Juno 2000 konnte somit die
Gedenkstätte eingeweiht werden.
Die Schülerinnen
und Schüler der Klasse Hep 10 fuhren am 09.12.2011 nach Pirna
und folgten der Gedenkspur von 14.751 bunten Kreuzen, die
Jugendgruppen an den Bordsteinkanten aufmalten. Diese Zeichen
sind der Witterung und den Umweltbedingungen ausgesetzt, müssen
deshalb regelmäßig erneuert werden und regen somit stets zum
Nachdenken an.
Begann bis
vor Monaten die Führung im Stadtzentrum an einem symbolisch
dargestellten grauen Bus, mit dem die dem Tode geweihten in die
Vernichtungsanstalt transportiert wurden, so
wird man heute durch ein 7 m hohes Kreuz auf den
Sonnenstein aufmerksam, das den verschiedensten
Glaubensrichtungen gerecht werden soll. Die daneben am Elbhang
stehenden Bäume sind schwarz-weiß gestrichen und kennzeichnen
die Ascheberge der Getöteten, die dort
abgelagert wurden. Die Schüler liefen in der Gedenkstätte
durch den Vorraum, in dem die angeblich ärztliche Untersuchung
erfolgte, standen beeindruckt in der Gaskammer und
durchschritten die Leichen- und Verbrennungskeller. Im Raum der
Stille sahen sie die Reproduktion der Pastellskizze
„Aufschreiende Gruppe“ der Dresdener Malerin Elfriede
Lohse-Wächtler, die ebenfalls auf dem Sonnenstein ermordet
wurde. Gesichter, Lebens- und Leidensgeschichten von 22 Opfern -
das jüngste war 2 Jahre alt -, die in der
Gedenkhalle dargestellt werden, warfen viele Fragen auf.
Der Besuch endete schließlich in der ständigen
Ausstellung im Dachgeschoss, durch die man viel über die Historie des
Sonnensteins, die Entwicklung der Rassenideologie
und
die Täter erfährt.
In
unmittelbarer Nachbarschaft
zur Tötungsanstalt wurde 1991 nach kontroversen
Diskussionen eine Werkstatt für behinderte Menschen
eingerichtet. Diese Betriebsstätte soll an die ursprüngliche
Bestimmung des Sonnensteins anknüpfen, die Erinnerung
an die Verbrechen wachhalten und uns stets die besondere
Verantwortung gegenüber
behinderten
Menschen verdeutlichen.
Dr.
Sigrid Stahler-Gey
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